22.08.2017: Zwölf Monate voller neuer Erfahrungen
Beispiele in St. Ingbert zeigen die Vielfalt des Freiwilligen Sozialen Jahres. Aufgaben warten im Rettungsdienst oder bei den „Saints“.
Abiturienten und Absolventen der zehnten Klassen freuten sich über ihren Abschluss und vor allem die Sommerferien. Einige von ihnen gehen auf Reisen, machen ein „Work and travel“-Jahr im Ausland und wollen so vor der Ausbildung oder dem Studium noch etwas von der Welt sehen, Erfahrungen sammeln und etwas Geld verdienen. Die meisten wissen, was sie danach studieren oder was für eine Ausbildung sie machen wollen, aber nicht alle. Eine schlechte Option ist es, einfach zu Hause die Zeit auszusitzen, bis sich etwas Passendes findet.
Wer sich noch nicht sicher ist, wohin nach dieser schulischen Auszeit „die Reise geht“ und sich auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt erst einmal orientieren will, dem sei ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) oder ein Jahr im Bundesfreiwilligendienst (BFD) empfohlen. Es gibt vielfältige Möglichkeiten, sich im Rahmen der beiden Angebote zu engagieren, unter anderem in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen sowie in kulturellen Einrichtungen oder einem Verein, so wie Anna Specie, die vor zwei Jahren ihr FSJ beim TV St. Ingbert in der Basketballabteilung bei den „Saints“, gemacht hat. Sie ist seit einigen Jahren selbst Vereinsmitglied, hat dort den Trainerscheín erworben. „Ich wusste nicht, was ich nach dem Abi machen sollte“, sagt die 21-Jährige, die damals ein Studium auf Lehramt oder Kinder-Psychologie ins Auge gefasst hatte, „ich wollte die Pause bis zum Studium überbrücken.“
Rückblickend erzählt sie von einem spannenden aber auch entspannenden Jahr, in dem sie viel mit Kindern zu tun hatte. Denn sie ging in Grundschulen und bot im Sportunterricht eine Einheit Basketball an. Gut für die Schüler, die so einen Einblick in diese Ballsportart bekamen, und gut für den Verein, für den es die perfekte Werbung war. Es gab für die junge Frau immer etwas zu tun. „Vom Zeitaufwand her darf man es aber nicht unterschätzen“, denn sie sei hauptsächlich an Wochenenden und am Nachmittag, während der Trainings oder Wettkämpfe, im Einsatz gewesen. Im Home-Office habe sie dagegen Projekte angekurbelt, die Teambetreuung organisiert und außerdem sei sie die saarländische Jugendvertreterin im Verband gewesen. Viele Aufgaben habe sie sich selbst gesucht.
Da war Eigeninitiative gefragt, denn sie war die erste FSJ-lerin bei den „Saints“. Es gebe viele Dinge zu klären, an die man vorher gar nicht denke, so die Urlaubstage oder der Umgang mit Überstunden. Der Freiwilligenjob sei „dankbar, aber anstrengend“ gewesen. Aus dem Jahr nehme sie aber auch die Erkenntnis mit, „dass ich kein Lehramt machen will“. Sie könne ein FSJ sehr empfehlen, vor allem, wenn ein Verein schon Erfahrung mit dem Freiwilligendienst habe.
Saints-Abteilungsleiter Stefan Bier lobt das Engagement der drei bisherigen FSJ-ler: „Mit denen haben wir viel gewonnen. Sie haben uns weiter gebracht.“ Auch das Deutsche Rote Kreuz, der größte FSJ-Träger im Saarland, kann und möchte auf seine FSJ-ler nicht mehr verzichten. Dabei profitieren laut Martin Erbelding, Sprecher des DRK-Landesverbandes, beide Seiten: „Für die Gesellschaft bedeutet der Einsatz der FSJ-ler, dass sie junge Menschen bekommt, die die andere, schwierige Seite im Leben kennengelernt haben. Das macht aus Ihnen selbstbewusste Menschen, die unterscheiden können, dass das, was in Hochglanzmagazinen beschrieben wird, nicht immer die Realität ist.“ Er habe beobachtet, dass die Jugendlichen, die nach der Schule zum Freiwilligendienst kommen, nach dem Jahr erwachsener und mit ihren Aufgaben gewachsen sind. Das DRK profitiere von ihnen neben ihrer Arbeit aber auch auf andere Art. „Sie sind eine Bereicherung in unserem täglichen Tun, weil sie aus ihrem Blickwinkel Dinge anders bewerten und beurteilen. Ihre Vorschläge nehmen wir gerne an.“ Auch dass Junge und Ältere gemeinsam arbeiten, stellt Erbelding als Vorteil heraus. Derzeit absolvieren beim DRK-Landesverband rund 300 junge Männer und Frauen ein FSJ, einige von ihnen auch in der Rettungswache St. Ingbert, wo sie zum Rettungssanitäter ausgebildet wurden. Victor Schwartz (20) möchte Medizin studieren und in seinem freiwilligen Jahr die medizinische Richtung ausprobieren. Nach fast einem Jahr blickt er zurück: „Das war sehr sinnvoll. Ich habe vor allem gelernt, unter Stresssituationen zu arbeiten. Es gab viel Action, positiv wie negativ. Ich habe vor allem viel erlebt, was ich woanders nicht gesehen hätte. Und die unterschiedlichsten Menschen kennengelernt.“
Für Chiara Mokhfi (20) war es eine gute Ergänzung zu ihrem Ehrenamt in der Feuerwehr. Sie geht nach ihrer FSJ-Zeit viel offener auf Menschen zu. Das trifft auch auf Laura Jung (20) zu, die im Anschluss Soziale Arbeit studieren will und beim Rettungsdienst „Feuer gefangen hat“, so dass sie wahrscheinlich ehrenamtlich weiter für ihn im Einsatz sein wird: „Ich habe einen Einblick in die Arbeitswelt bekommen und es war auch gut, dass nicht immer alles rund lief. Ich habe es nicht bereut und vermisse einige Kollegen jetzt schon.“ Sie verschweigt aber auch nicht, dass sie teilweise beim „Retten“ körperlich an ihre Grenzen kam. Doch trotz aller Anstrengungen war das FSJ für alle Befragten alles andere als eine verlorene Zeit auf dem Lebensweg.