2. Eingewöhnen und umgewöhnen
Wer bin ich?
Ich bin Jana, eine der beiden FSJlerinnen, die jetzt seit zwei Monaten im Deutschen Roten Kreuz für das Projekt Oral History West arbeiten. Ich komme eigentlich aus Langen, in der Nähe von Frankfurt. Für das FSJ, bin ich extra nach Solingen in eine kleine Wohnung im Haus meiner Großeltern gezogen. Alleine zu leben ist eine große Umstellung und ich musste mich die erste Zeit echt daran gewöhnen. Manchmal ist es wirklich schwer, die Familie und Freund*innen von zu Hause nicht um sich zu haben. Deshalb bin ich echt froh, dass mir die Arbeit so viel Spaß macht und dass ich mich so gut mit meiner FSJ-Kollegin Amelie verstehe.
Ein großes Meeting
Gerade aus Vogelsang vom Seminar mit unserer FSJ-Gruppe zu Hause, stand schon das nächste große Ereignis an: Ein Meeting mit all den wichtigen Persönlichkeiten in unserem Projekt – wieder in Vogelsang. Nicht nur trafen wir dafür die Projektleitung aus dem DRK-Generalsekretariat in Berlin wieder, sondern wir lernten auch die Verantwortlichen in den jeweiligen Landesverbänden Nordrhein, Rheinland-Pfalz, Saarland und Westfalen-Lippe kennen. Früh am nächsten Morgen fuhren wir also wieder nach Vogelsang. Gemeinsam bekamen wir noch einmal eine Einführung in den Ort, die DRK-Akademie und das DRK-Museum von deren Leiter, den wir bereits auf unserm Seminar kennengelernt hatten. Danach brachten alle Teilnehmer*innen die anderen durch Präsentationen und Vorträge auf den neusten Stand und redeten über die Geschichte des DRK in den jeweiligen Landesverbänden. Es war sehr interessant beobachten zu können, wie gemeinsam über die Zukunft des Projektes diskutiert, Ideen gesammelt und Entscheidungen getroffen wurden. Für uns war das ziemlich aufregend, da uns während diesem besonderen Termin noch einmal klar wurde, wie viel Erwartungen auf dem Projekt lasten.
Auf einmal geht alles ganz schnell
Nach dem Meeting waren wir beide voller Tatendrang: Wir wollten jetzt unbedingt loslegen, nachdem wir in Vogelsang so ausführlich über unsere Pläne und die Zukunft des Projektes geredet hatten. Und auf einmal ging alles auch ganz schnell. Wir fingen an die ersten Zeitzeug*innen anzurufen und führten die ersten Telefongespräche – und schwups hatten wir auf einmal die ersten Interviewtermine.
Ich sollte mit den Interviews der Zeitzeug*innen, in meinem Wohnort, im DRK-Kreisverband Solingen anfangen. Obwohl ich voller Motivation war, hatte ich irgendwie auch ein wenig Angst. Ich meine ja, es war nicht nur ein Interviewtermin, sondern auf einmal ganze fünf. Und ja, ich hatte wirklich Lust endlich loszulegen - aber die Arbeit und gerade das Interviewen selber war noch komplett neu für mich. In der Theorie hatten wir mehr als einmal unsere Vorgehensweise besprochen und mehr als einmal sowohl über die Vorgespräche am Telefon als auch über die Interviews selbst geredet. Trotzdem waren die ersten Interviews nun einmal die ersten Interviews. Und es lief keineswegs alles perfekt. Amelie und ich hatten beide Probleme damit, im Telefonvorgespräch alle Informationen über die Zeitzeug*innen zu bekommen, die wir brauchten um uns gut auf das Interview vorzubereiten. Denn für die Interviews mussten wir einen Fragenkatalog erstellen, für den wir schon vorab einen groben Abriss vom DRK-Leben unserer Zeitzeugen benötigten.
Amelie hatte direkt beim ersten Interview eine große Herausforderung, da sie die Zeitzeugin, mit der sie einen Interviewtermin hatte, nicht erreichen und sich deshalb kaum auf das Interview vorbereiten konnte. Und auch mein erstes Interview war gleich ein besonderes. Ich sollte nämlich ein Ehepaar interviewen, was bedeutete, dass ich an einem Tag gleich zwei Interviews hatte. Das war definitiv ein bisschen kompliziert. Amelie und mir fiel es schwer uns keinen Kopf darum zu machen, dass das Audiogerät mit dem wir die Interviews aufnehmen, auch uns aufnimmt. Das Wissen, dass jede komisch gestellte Frage und jeder Versprecher aufgezeichnet wird, macht einen nämlich teilweise echt ein wenig verrückt. Und ich denke jeder weiß, dass sich die Zunge auf einmal viel schneller verknotet, wenn man sich unglaublich auf seine „Ähms“ und „Hmmms“ konzentriert.
Übung macht den Meister
Ich glaube, dass die ersten Interviews trotzdem einigermaßen gut liefen. Wir sind eigentlich jedes Mal erleichtert und ziemlich zufrieden von den Terminen zurückgekommen. Natürlich hatten wir fast jedes Mal eins zwei Punkte, die nicht so perfekt gelaufen sind, aber das sehen wir gar nicht so schlimm, sondern eher als Chance sich verbessern zu können. Auch die Vorbereitung auf die Interviews fällt uns immer leichter. Eine Schwierigkeit, die wir haben (und die wir, wie ich denke, auch noch lange haben werden), sind die ziemlich komplizierten Strukturen des DRKs. Im Roten Kreuz werden so viele Bereiche abgedeckt und es gibt so viele verschiedene Funktionen, dass wir noch lange brauchen werden, bis wir uns gut auskennen werden. Und bis dahin wird es eben weiter passieren, dass wir ab und zu in Fettnäpfchen treten oder dumme Frage stellen. Aber wie sagt man so schön? Dumme Fragen gibt es nicht.
Was uns im Laufe der ersten Wochen auch klar wurde und zunehmend beeindruckte war, wie stark tatsächlich die Bindung vieler Rotkreuzler*innen zum Roten Kreuz ist. Das waren meistens Menschen, die ihr Leben lang ganz viel Zeit und Energie in dieses „Lebenswerk“ (wie ein Zeitzeuge ganz gut beschrieb) und ihre meist ehrenamtliche Arbeit steckten. Diese aufopfernde Arbeit, wie es uns teilweise erschien, war für die meisten jedoch viel eher ein Hobby, was sie mit Spaß und Zusammenhalt verbanden.
Dienstreise nach Vogelsang- aller guten Dinge sind drei
Für ein Interview fuhr ich wieder für einen Tag nach Vogelsang. Mittlerweile fühlte es sich schon richtig vertraut an, da ich den Ort und die Leute immer besser kennenlernte. Dieses Interview führte ich mit dem Leiter und Initiator des DRK-Museums und der DRK-Akademie dort, den Amelie und ich bereits von unseren zwei Besuchen dort kannten. Er ist bereits ewig im DRK und hat durch seine Funktion unglaublich viele und gute Verbindungen zu vielen verschiedenen Menschen, die in den unterschiedlichsten Bereichen des DRKs arbeiten. So hatte er für den Tag als ich in Vogelsang war ein Treffen mit der Oberin der DRK Schwesternschaft in Bonn organisiert. Durch dieses Treffen haben wir einen für uns sehr wichtigen Kontakt geknüpft. Denn bisher hatten wir noch keine Zeitzeug*innen aus den Schwesternschaften und Amelie und ich hatten bisher noch kaum eine Ahnung, was diese Unterinstitution im DRK ist.
Steigende Infektionszahlen
Und gerade als wir begannen uns in dieser neuen Situation zurecht zu finden, gerade als wir anfingen uns langsam an das Interviewen von Zeitzeug*innen zu gewöhnen……CORONA!!!
Es war schon echt frustrierend. Natürlich war von vorneherein klar, dass 2020 ein besonderes Jahr für mich werden würde. Ich meine, ich wurde 18, habe mein Abitur geschrieben, bin ausgezogen und sammle gerade meine ersten richtigen Erfahrungen in der Arbeitswelt. Aber, dass 2020 in erster Linie das Jahr sein würde, in dem ich meinen 18. Geburtstag nicht groß feiern können, mein Abi unter dem ständigen Schatten von Corona schreiben und ich meine Post-Abi-Planung über Bord werfen würde – das konnte ich nicht wissen. Und nun das: Die Infektionszahlen stiegen. Nicht nur in NRW sondern überall auf der Welt wurden mehr und mehr Covid19-Fälle aufgezeichnet. Wir steuerten direkt auf eine zweite Coronawelle zu. Das DRK reagierte ziemlich schnell. Wurden am Anfang noch die Hygienemaßnahmen einfach nur verschärft, hieß es für Amelie und mich auf einmal am 16.10. „Home Office“. Dass Amelie und ich von nun an fürs erste ausschließlich von zu Hause arbeiten sollten, war auf jeden Fall eine Umstellung. Doch die größte Schwierigkeit war, dass wir nun von Interviews in Persona auf Telefoninterviews umsteigen sollten. Dienstreisen wurden fürs erste komplett gecancelt. Das erschwerte die Situation für uns natürlich noch mal. Denn auf einmal mussten wir unsere Vorgehensweise teilweise umstellen und in vielerlei Hinsicht noch einmal umdenken. Kreativität war gefragt.
Telefoninterviews – eine schwierige Sache
Leider stellten sich die Telefoninterviews schnell als eine größere Herausforderung heraus, als wir angenommen hatten. So bekamen wir direkt zu Anfang gleich drei Absagen von Zeitzeug*innen, die sich unter normalen Umständen eigentlich gerne interviewen gelassen hätten. Deshalb müssen wir in der nächsten Zeit auf jeden Fall weiter brainstormen und Ideen sammeln, wie wir die Interviews angenehmer gestalten können, ohne unsere und die Gesundheit der Zeitzeug*innen zu gefährden und die Audioqualität so gut es geht zu halten. Fürs Erste habe ich bereits zwei Telefoninterviews begonnen zu planen. Und zwar mit den ersten zwei Zeitzeug*innen aus Rheinland-Pfalz.
Konferenz mit der Oberin der Schwesternschaft Bonn
Auch unseren angedachten persönlichen Besuch in der Schwesternschaft Bonn mussten wir nun in den virtuellen Raum verschieben. So hatten wir eine Videokonferenz geplant, in der auch Amelie Frau Dr. Hartung kennen lernen konnte. Sie ist eine wirklich beeindruckende Persönlichkeit und konnte uns, als die Oberin der Schwesternschaft von Bonn, viel über die Schwesternschaften erzählen. Das wird uns für unsere zukünftigen Interviews mit den Schwestern in Bonn auf jeden Fall weiterhelfen. Diese werde ich wahrscheinlich gemeinsam mit einer Frau führen, die gerade im Rahmen eines Projekts zur Aufarbeitung der Geschichte der Schwesternschaft Bonn, sowieso Interviews mit vielen Schwestern führt. Ich bin auf jeden Fall schon wirklich gespannt auf diese Interviews, da ich sehr interessiert an den Erfahrungen solcher starken Frauen bin und auch hoffe noch einmal etwas über die Technik des Interviewens dazuzulernen.
Ich bleibe also positiv und bin überzeugt, dass das Projekt toll wird. Ich bin immer noch unglaublich glücklich mit meinem FSJ, vor allem, weil wir in dessen Rahmen so viele faszinierende und interessante Personen kennenlernen. Und ich merke jeden Tag, wie ich selbstständiger werde und an den Erfahrungen die ich mache wachse.