3. Novemberblues
Das bin ich
Im letzten Monat hat sich meine FSJ-Kollegin Jana vorgestellt - jetzt bin ich dran!
Mein Name ist Amelie und ich bin vor wenigen Tagen 19 Jahre alt geworden. Ich bin in Düsseldorf geboren und aufgewachsen und wohne derzeit noch bei meinen Eltern. Mein Zuhause ist nur 10 Minuten Fußweg vom DRK-Landesverband Nordrhein entfernt, wo ich seit Anfang September mein FSJ mache. Wie Jana und ich bereits im ersten Blogbeitrag geschrieben haben, sind wir beide sehr an der Geschichte interessiert. Aber eben nicht nur an Zahlen und Fakten, sondern ganz besonders interessant finde ich die „erzählte Geschichte“, die persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen der Menschen. Ich hatte bis April 2019 noch eine Uroma (geboren 1931). Ihr habe ich immer sehr gerne zugehört, wenn sie von „früher“ erzählt hat. Wegen dieser angeborenen Neugier ist dieses FSJ perfekt für mich und ich bin froh, dass ich diesen Platz bekommen habe.
Man muss auch mal das Positive sehen
Was diesen Monat aber definitiv besser lief waren die Telefoninterviews.
Im letzten Monat hatten wir noch ziemliche Schwierigkeiten. Mehrere Leute sagten ab, da sie sich unwohl bei dem Gedanken fühlten, dieses doch sehr persönliche Interview über das Telefon zu führen. Natürlich hatten wir Verständnis dafür, denn auch für uns war es eine etwas befremdliche Situation, obwohl wir in der Zeit der Digitalisierung aufgewachsen sind und die Anonymität über das Telefon eigentlich gewöhnt sind. Die Absagen waren für uns natürlich etwas demotivierend.
Diesen Monat sah es aber schon ganz anders aus. Es ist zwar immer noch schade, dass die Interviews nicht persönlich stattfinden können, denn auch wenn man sein Bestes gibt, geht die Nähe und die Persönlichkeit über das Telefon ein wenig verloren. Doch trotz der widrigen Umstände liefen die Interviews in diesem Monat alle wirklich gut und es sind spannende und interessante Geschichten zusammengekommen. Langsam gewöhnt man sich an die Telefoninterviews und ist weniger aufgeregt. Dadurch, dass der Weg zu den Zeitzeugen logischerweise wegfällt, kann man auch mehrere Interviews in einer Woche führen. Diesen Monat hatte ich teilweise sogar drei Interviews in einer Woche geführt. Außerdem haben Jana und ich diesen Monat auch angefangen, Interviews in den anderen Landesverbänden zu führen. Ich hatte erste Interviews in Westfalen-Lippe und Jana in Rheinland Pfalz.
Auf einmal geht alles ganz schnell
Nach dem Meeting waren wir beide voller Tatendrang: Wir wollten jetzt unbedingt loslegen, nachdem wir in Vogelsang so ausführlich über unsere Pläne und die Zukunft des Projektes geredet hatten. Und auf einmal ging alles auch ganz schnell. Wir fingen an die ersten Zeitzeug*innen anzurufen und führten die ersten Telefongespräche – und schwups hatten wir auf einmal die ersten Interviewtermine.
Ich sollte mit den Interviews der Zeitzeug*innen, in meinem Wohnort, im DRK-Kreisverband Solingen anfangen. Obwohl ich voller Motivation war, hatte ich irgendwie auch ein wenig Angst. Ich meine ja, es war nicht nur ein Interviewtermin, sondern auf einmal ganze fünf. Und ja, ich hatte wirklich Lust endlich loszulegen - aber die Arbeit und gerade das Interviewen selber war noch komplett neu für mich. In der Theorie hatten wir mehr als einmal unsere Vorgehensweise besprochen und mehr als einmal sowohl über die Vorgespräche am Telefon als auch über die Interviews selbst geredet. Trotzdem waren die ersten Interviews nun einmal die ersten Interviews. Und es lief keineswegs alles perfekt. Amelie und ich hatten beide Probleme damit, im Telefonvorgespräch alle Informationen über die Zeitzeug*innen zu bekommen, die wir brauchten um uns gut auf das Interview vorzubereiten. Denn für die Interviews mussten wir einen Fragenkatalog erstellen, für den wir schon vorab einen groben Abriss vom DRK-Leben unserer Zeitzeugen benötigten.
Amelie hatte direkt beim ersten Interview eine große Herausforderung, da sie die Zeitzeugin, mit der sie einen Interviewtermin hatte, nicht erreichen und sich deshalb kaum auf das Interview vorbereiten konnte. Und auch mein erstes Interview war gleich ein besonderes. Ich sollte nämlich ein Ehepaar interviewen, was bedeutete, dass ich an einem Tag gleich zwei Interviews hatte. Das war definitiv ein bisschen kompliziert. Amelie und mir fiel es schwer uns keinen Kopf darum zu machen, dass das Audiogerät mit dem wir die Interviews aufnehmen, auch uns aufnimmt. Das Wissen, dass jede komisch gestellte Frage und jeder Versprecher aufgezeichnet wird, macht einen nämlich teilweise echt ein wenig verrückt. Und ich denke jeder weiß, dass sich die Zunge auf einmal viel schneller verknotet, wenn man sich unglaublich auf seine „Ähms“ und „Hmmms“ konzentriert.
Vizepräsidenten und Co.
Eins meiner ersten Interviews in Westfalen-Lippe war direkt mit Herrn Upphoff. Er ist der Vizepräsident des DRK-Landesverbandes Westfalen-Lippe. Wenn ich ehrlich bin, war ich im Vorfeld schon recht nervös und dachte mir: Ich kann ja schlecht einfach bei einem Vizepräsidenten anrufen und mal fragen ob er kurz plaudern kann. Aus diesem Grund ließ ich mich von meinem Ansprechpartner im DRK-Landesverband Westfalen-Lippe bei ihm ankündigen. Wie sich später herausstellte, waren meine Bedenken völlig unbegründet und Herr Upphoff ein sehr freundlicher, nahbarer und sympathischer Gesprächspartner. Aber egal ob ich mit Vizepräsidenten, Geschäftsführern oder Personen in diversen anderen Positionen gesprochen habe, alle waren sehr nett und bodenständig. Sie nahmen sich alle Zeit für mich, gingen auf meine Bitten ein und wir kamen gut ins Gespräch.
Unser zweites Bildungsseminar - oder vielleicht doch nicht?
Am Ende des Monats war es dann wieder soweit: Ein FSJ-Seminar stand an. Dieses sollte, so hieß es auf jeden Fall vorerst, in Mönchengladbach mit der vollständigen Seminargruppe stattfinden.
Ungefähr eine Woche vor dem Seminar kam dann die Nachricht, dass die Gruppe wieder geteilt werden würde und für jede Teilgruppe das Seminar nur 2,5 Tage, anstatt der vorgesehenen 5 Tage gehen würde. Wir fanden es natürlich traurig, dass wir die anderen Gruppenmitglieder dieses Seminars schon wieder nicht kennenlernen konnten, hatten aber auch eigentlich schon damit gerechnet und freuten uns dann einfach darüber, wenigstens unserer Teilgruppe wiederzusehen.
Am Montag machten wir uns also auf den Weg. Wir hatten die Aufforderung, wenn möglich, privat anzureisen und nicht mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu kommen. Aus diesem Grund ist Janas Mutter extra aus Hessen angereist, um Jana zum Seminar zu bringen und abzuholen. Doch als wir ankamen erwartete uns eine nicht so erfreuliche Nachricht: Das Seminar wurde doch komplett abgesagt und alle mussten am Abend wieder nach Hause. Das war natürlich sehr ärgerlich. Wir machten jedoch das Beste aus der Situation und der Tag, auch wenn es nur einer war, hat trotzdem sehr Spaß gemacht. Erstaunlicherweise war die Gruppendynamik wirklich gut, obwohl alle Teilnehmer sich im September erst einmal für knapp drei Tage gesehen hatten. Es wurde geredet und Übungen zur Teamarbeit und Kommunikation gemacht. Abends aßen alle noch gemeinsam bevor man sich wieder auf den Heimweg machte.
Webseminar über das Humanitäre Völkerrecht
Ein weiteres Highlight des Monats war ein Webseminar über das Humanitäre Völkerrecht, an dem Jana und ich teilnehmen durften.
Das Webseminar wurde von den DRK-Landesverbänden Westfalen-Lippe und Nordrhein organisiert und koordiniert. Verschiedene Professoren und Experten auf dem Gebiet hielten Vorträge und haben Fragen beantwortet. Es wurden über viele verschiedene Facetten des Humanitären Völkerrechts gesprochen, z.B. über die juristischen Grundlagen und über die Entstehungsgeschichte. Besonders interessant, aber genauso erschreckend für Jana und mich, waren Erfahrungsberichte aus Einsätzen in Kriegsgebieten. Es wurde davon berichtet, ob und wie das Humanitäre Völkerrecht in der Realität eingehalten wird - was natürlich leider nicht immer der Fall ist. Besonders der Beitrag des stellvertretenden Landeskonventionsbeauftragten Herr Sieland über ein Flüchtlingscamp in der Türkei hat mich sehr getroffen. Die Menschen lebten unter ganz schrecklichen Bedingungen.
Jana und ich haben uns vor unserer Zeit beim DRK noch nie wirklich mit dem Humanitären Völkerrecht beschäftigt. Doch durch unsere Arbeit, aber vor allem auch durch dieses Seminar, ist uns klar geworden, wie unglaublich wichtig das Humanitäre Völkerrecht ist.